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Das Abo ist dem On-Demand sein Tod

Röhrenfernseher linear TV

Die Zukunft war verheißungsvoll. Als Netflix 2012 bekannt gab mit ihrem Video-on-Demand Service nach Europa zu expandieren, war die Hoffnung groß. Endlich Schluss mit linearem Fernsehen und den starren Beginnzeiten zur Primetime um 20:15 Uhr. Ab sofort konnte man selbst bestimmen, wann man was sehen mochte – und das im Abo für nur rund 10 Euro im Monat. Was zu Beginn sowohl für die Filmstudios als auch für die User ein innovatives und erfolgreiches Konzept war, beginnt langsam zum Problem zu werden. Denn On-Demand geht Hand in Hand mit Abo-Service.

Und wie das eben so ist in der heutigen, vom Kapitalismus getriebenen Zeit, lassen sich die Copy-Cats nicht lange bitten. Amazon Prime, Disney+, Hulu, HBO, YouTube Originals, Apple TV+ und wie sie alle heißen, jeder will was vom Geldkuchen mitnaschen. Eine aktuelle Studie der Datenanalysefirma UTA zeigt, dass sich die Gunst der Nutzer aber bereits im Rückzug befindet. Von 6.634 teilnehmenden Medienkonsumenten zwischen 13 und 54 Jahren aus den USA, Kanada, Australien und den Niederlanden fühlten sich bereits 70 Prozent mit der Menge an Streaming-Optionen überfordert. 87 Prozent der Befragten fanden es außerdem zu teuer bei allen Anbietern ein Abo abzuschließen.
Doch nicht nur für die Kunden hat sich das Phänomen Abo-Modell zum Problem entwickelt. Das als Retter gegen die Piraterie gefeierte System scheint durch eine Meuterei bedroht. Eine Studie aus Großbritannien malt eine düstere Zukunft an die digitale Leinwand. Wächst das Angebot an Streaminganbietern weiter, wird in Zukunft auch die Bereitschaft Filme und Serien wieder illegal im Internet anzusehen von 18 auf 37 Prozent wachsen.

Aber haben wir nicht gelernt, dass Konkurrenz eigentlich etwas Gutes ist und den Markt belebt? Wären die User wirklich besser dran, wenn es ein Video-Streaming-Monopol geben würde? Die Sache ist: Im Vergleich zum Musikmarkt gibt es hier eine ganz andere Art von Konkurrenzkampf. Während Spotify, Apple Music und Co. zu einem großen Teil keine exklusiven Inhalte anbieten, sondern sich in ihren Musikbibliotheken ähnlich sind, treten sie durch Merkmale wie Preis und Benutzeroberfläche gegeneinander an. Der User hat so die Möglichkeit zu entscheiden was ihm mehr zusagt und dementsprechend seinen Anbieter zu wählen, ohne dabei auf bestimmte Inhalte verzichten zu müssen.

Fernbedienung On-Demand

Die Streamingplattformen im Bereich Film, Serie und auch Sport treten hingegen mit ihren Inhalten größtenteils nicht in direkte Konkurrenz, sondern schaffen sich alle ihre ganz eigenen Mini-Monopole. Exklusive Titel und Übertragungsrechte lassen dem User keinerlei Wahlmöglichkeiten, wenn es um bestimmte Inhalte geht. Sie möchten Game of Thrones sehen? Dann benötigen Sie ein HBO-Abo. Stranger Things? Netflix. Mr. Robot? Amazon Prime. Alle Spiele der Champions League? DAZN, SKY und ab 2021 auch Amazon Prime!

Das hier jeder sein eigenes Süppchen kochen will, ist zwar, aus wirtschaftlicher Sicht der Plattformen, nachvollziehbar, doch die Revolte der User beginnt sich bereits zu formieren. Das soziale Phänomen Abo-System wird immer mehr zu einem Problem-Modell für On-Demand Inhalte. Denn nicht nur in der Musik-, Film- und Sportbranche hat es sich etabliert. Egal ob Anwendungen in der Adobe-Cloud, Hörbücher, E-Reader-Inhalte, Computer-Spiele oder was es sonst noch alles On-Demand als Abo gibt – immer mehr Branchen setzen auf das monatliche Abrechnungssystem.
Wurde dem User mit On-Demand endlich die Freiheit und Flexibilität gegeben selbstbestimmt zu konsumieren, so wird diese Freiheit durch die Abos wieder eingeschränkt. Aktuell gibt es nur drei Möglichkeiten für die User. Verzicht, das Zurückgreifen auf illegale Mittel oder Abo-Fixkosten die irgendwann dem Mietpreis Konkurrenz machen. Man kann der Blase förmlich beim Wachsen zusehen und wartet nur auf den lauten Knall, mit dem sie platzen wird. Gut möglich dass sich der Markt dann selbst reguliert und einen Weg findet, um On-Demand unabhängig von Abos am Leben zu halten. Es ist nämlich schwer vorstellbar, dass die User, die dank dieser flexiblen Art von Konsum den Duft der Freiheit eingeatmet haben, wieder zurück zu einem linearen System wollen. Aber wer weiß. Vielleicht treffen wir uns bald schon alle wieder pünktlich um 20:15 vor dem TV, um uns sagen zu lassen, was wir sehen wollen.

-Ralf Waldhart-

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